Ein Gespräch mit Janboris Ann-Kathrin Rätz







Janboris Ann-Kathrin Rätz
(Pronomen: dey/dem/deren/denen)
Janboris Ann-Kathrin ist nicht-binär/trans*, freie Moderator*in, Workshop-Leiter*in und Queer-Aktivist*in. Dey nutzt deren Stimme für Respekt, Nächstenliebe und Menschenwürde FÜR ALLE – egal ob bei Demos, im Internet (als @janborisineinemwort bei Insta), auf Bühnen oder im TV, wie z.B. bis 2024 im SWR Fernsehen in den Nachrichten mit lackierten Fingernägeln oder im Januar 2025 in der Alkohol-Doku von Hirschhausen vor einem Millionenpublikum um 20 Uhr 15 im Ersten – immer sichtbar queer und mit klarer Haltung!
Wir sprechen gemeinsam über die Bedeutung von Vielfalt und Respekt in Bildung und Kultur, wie wir durch gelebte Diversität Menschenwürde für alle fördern und warum es wichtig ist, Räume zu schaffen, in denen alle sich sicher und sichtbar entfalten können – egal wie man liebt, lebt oder aussieht.
Diversität und Schule
Gerade Schulen stehen vor der Herausforderung, heterogene Schülerschaften – geprägt von Migration, sozioökonomischem Hintergrund, individuellen Bedürfnissen und vielfältigen kulturellen Prägungen – gerecht zu werden. Ein starres Bildungsparadigma, das allein auf Standardisierung und Normierung setzt, verfehlt die Lebensrealität vieler Lernender und führt zu Exklusion oder Marginalisierung. Kulturelle Bildung im schulischen Kontext kann hier eine Tür öffnen: Sie bietet Raum für Identitätsbildung im Sinne von „Sich-Sehen-Lassen“ und „Gesehen-Werden“, fördert die kritische Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Machtverhältnissen und stärkt die soziale Teilhabe aller Kinder und Jugendlichen.
Im Bereich kultureller Bildung ist die Vermittlung von Diversität nicht nur ein inhaltliches Thema – es geht auch um inklusives und partizipatives Arbeiten. Das Playback Theater beispielsweise zeigt, wie verschiedenste Lebensgeschichten künstlerisch nacherzählt und reflektiert werden können. Die aktive Einbindung unterschiedlicher Generationen, Kulturen und sozialer Milieus ist weder Selbstläufer noch nur formal zu garantieren. Es bedarf einer bewussten Gestaltung der Formate, um Stereotype aufzubrechen, Rollenbilder zu hinterfragen und marginalisierte Stimmen zu stärken. Nur so kann die kulturelle Bildung zu einem Ort des Empowerments und der gesellschaftlichen Transformation werden.
Die Anerkennung von Diversität bedeutet nicht, Differenz zu romantisieren oder gesellschaftliche Ungleichheiten zu verharmlosen. Vielmehr fordert ein kritisch-reflexives Diversitätskonzept auch die Bereitschaft, Konflikte auszuhalten, eigene Privilegien zu hinterfragen und strukturelle Barrieren zu thematisieren. Die Gefahr technokratischer oder bloß symbolischer Diversitätsarbeit liegt darin, dass Unterschiedlichkeit zwar formal anerkannt, aber ihre sozialen Ursachen und Machtstrukturen unerwähnt bleiben – was Mehrfachdiskriminierungen und Ausschlussmechanismen in der Praxis kaum verändert.
Diversitätskonzepte müssen deshalb als dynamische, sich entwickelnde Prozesse verstanden werden, die ständige Anpassung, Evaluation und Offenheit für neue gesellschaftliche Entwicklungen verlangen. Im Kontext schulischer und kultureller Bildung bedeutet dies auch, sich immer wieder neu mit Fragen der Zugänglichkeit, der Repräsentation und der Teilhabe zu beschäftigen – und transformative Lern- und Begegnungsräume zu schaffen, die über bloße Vermittlung von Fakten hinausgehen.
Diversität sollte im Bereich der Bildungsarbeit aber nicht nur in der Chance bestehen, kulturelle Räume lebendig zu gestalten, sondern auch die Verpflichtung beinhalten, diese Haltung kritisch, konsequent und reflektiert in den Alltag zu integrieren. Denn nur so wird Vielfalt nicht zu einem Modethema, sondern zu einem tragfähigen Fundament für eine inklusive, gerechte und kreative Gesellschaft.
Lebendiges Beispiel: Das SchmitZ in Trier: Ein Queeres Zentrum mit Impulsen in die ganze Stadt
Das SchmitZ in Trier entstand aus einer Sehnsucht nach Gemeinschaft, Schutz und radikaler Sichtbarkeit in einer Gesellschaft, die queere Lebensrealitäten jahrzehntelang marginalisierte. Was Anfang der 1990er Jahre als Treffpunkt für Selbsthilfe und gegenseitige Ermutigung begann, ist heute ein Knotenpunkt für Diversität, Innovation und Solidarität in der Stadtgesellschaft geworden. Hier mischt sich politischer Aktivismus mit kulturellem Mut, Beratung mit Bildung, Straßenfest mit stiller Begegnung.Das SchmitZ in Trier ist das zentrale queere Netzwerk und Kulturzentrum der Stadt, das Diversity-Maßstäbe weit über die Community hinaus setzt. Hier entstehen Diversitätskonzepte für ganz Trier, da das SchmitZ gezielt Vernetzungs-, Beratungs-, Bildungs- und Kulturarbeit betreibt, die verschiedene Lebensbereiche und Zielgruppen erreicht. Das Zentrum steht für sexuelle, geschlechtliche und familiäre Vielfalt – VHS-Angebote, Beratungen (Coming-Out, Diskriminierung, Identität), Gruppenangebote (Jugend, Polyamorie, trans*/nonbinär) und Aufklärung erreichen ein breites Publikum und fördern Akzeptanz intersektional.
Das SCHMIT-Z agiert als Schnittstelle zwischen queerer Community, Verwaltung, Schulen, Kitas und sozialen Einrichtungen – Diversitätsansätze werden gemeinsam weiterentwickelt und in die Stadtgesellschaft getragen (z.B. mit Schulaufklärungsprojekt SCHLAU, Fortbildungsangeboten für pädagogische Berufe und inklusiven Gruppen, Infoabenden für Verwaltung und Eltern). Mit Theaterproduktionen, Rosa Karneval, CSD-Paraden, Stadtführungen „Queer History“ und kreativen Veranstaltungsreihen setzt das SchmitZ starke Impulse für queere Sichtbarkeit und niederschwellige Teilhabe in der ganzen Stadt. Das SchmitZ ist als Trägerverein anerkannt, arbeitet mit Stadtverwaltung und Landesministerien, vernetzt Ehrenamtliche, organisiert Großveranstaltungen, und setzt mit Projekten wie „Familienvielfalt“ oder „Schule der Vielfalt“ Impulse für Trier als zukunftsoffene, diskriminierungsfreie Stadt.
Die SchmitZ Familie: Wahnsinn Weihnachten, dabei ist doch erst Halloween

Seit einigen Wochen arbeite ich zum ersten Mal als Regisseurin mit der SCHMIT-Z Family an unserem Stück „Wahnsinn Weihnachten. Aber es ist doch erst Halloween!“. Für mich ist dieses Projekt mehr als ein Theaterstück. Es ist eine Möglichkeit, über Themen zu sprechen, die oft im Schatten von „traditionellen Stücken“ an Stadt- und Staatstheatern bleiben und nicht erzählt werden. Weihnachten und Feiertage sind für viele Menschen Feste mit vielen Gefühlen. Unser Stück zeigt diese verschiedenen Seiten – mit Humor, aber auch mit Nachdenklichkeit. Wir erzählen von modernen Familien, vom Outing und von dem Gefühl, nicht immer dazuzugehören.
Die Schmitz-Familiy besteht bei diesem Stück aus einer Gruppe von etwa zwölf Schauspieler:innen, die aus Trier und Umgebung kommen. Zusammen schaffen wir eine Atmosphäre, in der alle Stimmen Platz haben – egal welches Alter oder welche Lebensgeschichte jemand mitbringt. Mir ist wichtig, dass unser Theater offen und einladend ist. Wir wollen, dass sich alle angesprochen fühlen, nicht nur queere Menschen, sondern die ganze Stadtgesellschaft. Unsere Arbeit soll Mut machen und Vorurteile abbauen.
Theater kann etwas bewegen. In Schule, Gesellschaft und Miteinander:
Über das Stück:
Wir lieben sie doch alle, – Familienbesuche..
Familienbesuche sind diese ganz besonderen Anlässe, bei denen man merkt, wie wunderbar vertraut doch alles geblieben ist. Man sitzt am gleichen Tisch wie seit Jahrzehnten, hört die gleichen Geschichten – nur mit noch ein paar ausgeschmückten Details – und nickt so zustimmend, als wäre es das erste Mal. Zwischendurch wird man liebevoll daran erinnert, was man beruflich, privat oder kulinarisch noch optimieren könnte. Und während man innerlich überlegt, wie viele Stücke Kuchen man noch höflich essen muss, spürt man diese warme Gewissheit: Manche Dinge ändern sich wirklich nie.
Deswegen vermeidet Paulette es, ihre Mutter in die WG einzuladen. In dieser Wohnung, ihrem kleinen Reich, hängen die Kleider, die ihre Geheimnisse hüten – jene, mit denen sie ein Stück von sich selbst lebt, das Mutter nie sehen darf. Denn Mutter weiß nicht, dass Paulette schwul ist und gerne Fummel trägt.
Für Mutter spielt Paulette die Rolle ihres Lebens: den braven Sohn Paul. Bühne: der Kaffeetisch. Requisit: Apfelkuchen. Dialog: Belanglosigkeiten über das Wetter. Der eigentliche Nervenkitzel? Dass sie nie die Tür zu seinem Kleiderschrank öffnet, hinter der Paulette in Glitzer und Tüll auf ihren Auftritt wartet. Zum Glück gibt es da Paulettes WG: Hier, zwischen Tobi, der lesbischen Waldorflehrerin Irmgard und dem schwulen Piloten Jimmy, gehört Paulettes Fummel zum Inventar.
Und dann passiert es: Paulettes Mutter kommt zum Überraschungsbesuch. – Es bleibt nicht viel Zeit, um aus der WG ein heteronormatives Paradies zu zaubern…
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