Schabernack.
Firlefanz. Mumpitz.

.Über ein kreatives Störmoment

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4 Tage in Nantesbuch

Iteratives Prozessdesign und die Sorge, sich darauf einzulassen

Im Rahmen des Weiterbildungsmasters Kulturelle Bildung an Schulen verschlug es uns für vier intensive Tage in die inspirierende Unterkunft der Stiftung Kunst und Natur in Nantesbuch. Modul 3b stand auf dem Programm: Interaktives Prozessdesign und Schnittstellenmanagement zwischen Schule, Künstler:innen und Partnerinstitutionen. Methodisch wurde es ein echtes Abenteuer: In einem Planspiel schlüpften wir in vier Projektgruppen und entwarfen „virtuelle“ Projekte, jonglierten mit Tools wie Team Model Canvas, Context Map, Employer TT Profil, Stakeholder Map, Motivation Cards und allerlei anderen Projektentwicklungshilfen.

Wer jetzt denkt, das sei der Königsweg zum reibungslosen Projektmanagement – bitte einmal tief durchatmen! Denn was auf dem Papier nach strukturiertem Durchmarsch klang, entpuppte sich in der Praxis als bunter Hindernisparcours voller Frustmomente und Fragezeichen. Plötzlich war da alles, was das echte (Schul-)Leben ausmacht: Unplanbares, Störfaktoren, Überforderung, Müdigkeit, Lustlosigkeit, Abgabestress – und das dringende Bedürfnis, sich einfach in die pittoreske Natur zu verziehen und dem Projekttrubel zu entkommen.

Doch siehe da: Nach vier Tagen standen tatsächlich vier kreative, liebevoll gestaltete Projektpräsentationen auf der Bühne, jede auf ihre ganz eigene, unverwechselbare Art. Was war passiert? Ganz einfach: Das Ungeplante hatte zugeschlagen – und zwar mit voller Wucht. Aus Frust wurde Erfindungsreichtum, aus Chaos Teamgeist, und aus der einen oder anderen Panne ein echter Aha-Moment.

Vielleicht hat nicht jede:r von uns das Planspiel als Offenbarung erlebt und nicht jeder von uns ließ sich von der Richtigkeit und Berechtigung der Herangehensweise überzeugen. Allerdings stand doch ein anderes Learning im Raum: Die produktive Kraft des Ungeplanten. Und mal wieder die Überzeugung: Eine gehörige Portion Schabernack gehört auch dazu, denn “regelmäßiger Unsinn hat normative Kraft” (Eugen Bleuler). Mehr Mut zum Chaos, mehr Raum für das Unerwartete – denn genau da entsteht die Magie kultureller Bildung.

Und da Bilder oft für sich sprechen, hier mal ein kurzer fotografischer Abriss durch unser Gefühlschaos der letzten Tage:

Wie kann ich die Tage in Nantesbuch jetzt mit in die Schule nehmen? Naja. Irgendwie ist der Schnittlauch doch die passende Metapher dafür: Wer in Nantesbuch aufmerksam durch die Wiesen streift, entdeckt vielleicht am Wegesrand ein unscheinbares, aber doch bemerkenswertes Pflänzchen: den Schnittlauch. Auf den ersten Blick wirkt er bescheiden – ein paar grüne Halme, die sich im Wind wiegen. Doch wer genauer hinschaut, erkennt: Schnittlauch ist zäh, wächst in dichten Büscheln, treibt immer wieder neu aus und bringt mit seinen feinen Röhren und lila Blüten überraschende Würze in jedes Gericht.
Genau so lässt sich das Erlebnis in Nantesbuch und die kulturelle Bildung an Schulen beschreiben. Kulturelle Bildung ist wie Schnittlauch im Schulgarten: Sie ist oft nicht der Star im Rampenlicht, aber sie bereichert das schulische Leben mit einer besonderen Note. Sie wächst dort, wo man ihr Raum gibt, sie braucht Pflege, aber sie ist auch erstaunlich widerstandsfähig und anpassungsfähig. Im Planspiel in Nantesbuch haben wir erlebt, wie aus scheinbar chaotischem Wachsen – aus Frust, Umwegen und Irritationen – am Ende etwas Frisches, Unerwartetes und Würziges entsteht.
Schnittlauch wächst nicht auf Kommando, sondern folgt seinem eigenen Rhythmus. Genauso wenig lässt sich kulturelle Bildung einfach planen oder erzwingen. Sie entfaltet ihre Kraft, wenn sie spontan wachsen darf, wenn Ideen sprießen, wenn Schüler:innen und Lehrkräfte gemeinsam neue Wege ausprobieren und auch das Ungeplante zulassen. Manchmal braucht es einen kleinen Schnitt – einen Impuls von außen – damit neue Triebe nachwachsen und frische Ideen entstehen.

Von Unsinn und dem Mut, Pläne aufzugeben

Viele Menschen sind der Überzeugung, dass es am besten im Leben immer für alles einen Plan gibt. Alles sollte geregelt und nach Schema F laufen. Geburt, Schule, Abschluss, Beruf, Haus, Haustier, Familie, Enkel, Tod. – Chaos? Bloß nicht. Phasen ohne Übersicht und Kontrolle? Der Horror. Aber gerade im Ungeplanten, im Chaos, im Überraschungsmoment liegt eine ungeahnte Kraft.

Das Ungeplante im Lehrer:innenberuf

Das Ungeplante ist der eigentliche Star im Klassenzimmer – und, Hand aufs Herz, meistens auch der bessere Pädagoge. Schon im Referendariat wird den angehenden Lehrer:innen eingetrichtert, jede Unterrichtsstunde bis ins letzte Detail durchzuplanen: Lernziele formulieren, Methodenfeuerwerke abbrennen, auf jedes individuelle Schüler:innenbedürfnis eingehen, Digitalisierung elegant integrieren, Inklusion nicht nur predigen, sondern leben – und dabei stets die Ruhe selbst sein, natürlich bestens organisiert und mit einem Lächeln auf den Lippen. Klingt nach Superheld:innen, ist aber Alltag im Vorbereitungsdienst. Kein Wunder, dass das Referendariat für viele zur Großbaustelle der Überforderung wird: Zu viele Erwartungen, zu wenig Raum für echte Praxis, und an jeder Ecke lauert ein neues „Musst-du-auch-noch-können“. Das Chaos ist hier nicht Ausnahme, sondern System – und es frustriert, demotiviert und lässt viele schon vor dem Ziel aussteigen.

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Vielleicht wäre es an der Zeit, das Ungeplante nicht länger als Störfaktor zu sehen, sondern als das, was es ist: die beste Vorbereitung auf den echten Schulalltag.

Improvisation statt Überorganisation

Die vielbeschworenen Future Skills – Kreativität, kritisches Denken, Kollaboration und Kommunikation – gedeihen nicht im sterilen Glashaus der perfekten Vorbereitung, sondern im Dschungel des Unvorhergesehenen. Wer improvisieren muss, weil Plan B schon im Papierkorb gelandet ist, entdeckt plötzlich Talente, von denen er oder sie selbst keine Ahnung hatte. 

Aber mal ehrlich: Wer glaubt, dass man diese Kompetenzen in der Theorie oder durch Multiple-Choice-Tests erwerben kann, hat vermutlich noch nie eine 7. Klasse an einem Montagmorgen erlebt. Die Realität sieht so aus: Die schönste PowerPoint-Präsentation verabschiedet sich ins digitale Nirwana, während der Beamer blinkt wie ein Raumschiff auf Notlandung. Der geplante Gruppenarbeitsmarathon mutiert zum kollektiven Brainstorming über das Wetter, und plötzlich steht die Frage im Raum, ob man nicht lieber draußen Unterricht machen könnte – „wegen Frischluft und so“.

Was kann kulturelle Bildung hier schaffen?

Doch jetzt kommt die kulturelle Bildung ins Spiel – und zwar nicht als Feigenblatt im Stundenplan, sondern als vitaler Nährboden für genau diese Kompetenzen. Kulturelle Bildung ist in der Schule weit mehr als Bastelstunde oder Pausenfüller. Sie ist der gesellschaftliche Resonanzraum, in dem Schüler:innen erleben, was Teilhabe wirklich heißt: mitreden, mitgestalten, mitfühlen. Ob beim gemeinsamen Singen, im Theaterprojekt oder beim künstlerischen Experimentieren – hier wird das Ungeplante nicht gefürchtet, sondern gefeiert.

Gerade in der kulturellen Bildung zeigt sich, wie produktiv das Chaos sein kann: Der geplante Ablauf löst sich in Wohlgefallen auf, weil die Schüler:innen plötzlich eigene Ideen einbringen, das Thema auf den Kopf stellen oder den Projekttag kurzerhand in einen Flashmob verwandeln. Und siehe da: Ausgerechnet in diesen Momenten entstehen die stärksten Lernerfahrungen und die nachhaltigsten Kompetenzen. Empirischen Studien belegen: Kulturelle Bildung fördert nicht nur Kreativität und Ausdruckskraft, sondern auch die Fähigkeit, mit Unsicherheiten umzugehen, Verantwortung zu übernehmen und im Team zu wachsen.

Natürlich steht die kulturelle Bildung in der Schule unter Druck – zwischen Normierung, Lehrplänen und dem ewigen Ruf nach Verwertbarkeit. Aber gerade deshalb braucht es mehr Mut zum Ungeplanten! Denn nur, wo Raum für Spontaneität, Irritation und echte Begegnung ist, können Schüler:innen die Future Skills entwickeln, die sie für eine komplexe Welt brauchen. 

Die besten Bildungserlebnisse passieren, wenn niemand damit rechnet – und genau das sollten wir feiern, nicht verhindern.

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